Wie Republikaner die Republik abschaffen

Sturm aufs Kapitol
Sturm aufs Kapitol

Donald Trump wird aller Voraussicht nach das neuerliche Impeachment überstehen, weil sich nicht genug Republikaner finden, die eine Amtsenthebung unterstützen. Obwohl damit eine Wiederwahl Trumps verhindert würde und dessen Zersetzungsversuche der republikanischen Grundordnung der USA eine entsprechende republikanische Antwort finden würden, sind es ausgerechnet Politiker, die sich selbst „Republikaner“ nennen, die einer dringend notwendigen Immunitätsreaktion der US-amerikanischen Republik im Wege stehen.

Cicero: De re publica
Cicero: De re publica

Schon seit Cicero wird die Stärke der Republik in ihrer „Beständigkeit“ (Cicero: De re publica, 1.45, S. 91) gesehen, weil sie mit einer komplexen Architektur von checks and balances ausgestattet ist. Insbesondere Gewaltenteilung wird als ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Republiken angesehen, Legislative, Exekutive und Judikative sollen streng getrennt arbeiten. In einer Demokratie würde das bedeuten, dass vom Volk Gesetze ausgehen, an die sich eine Regierung zu halten und in deren Rahmen sie zu agieren hat, worauf wiederum das Rechtswesen achtet.

Nun halten sich jedoch die Republiken heute allesamt nicht strikt an diese Trennung, darunter insbesondere die USA: Der Präsident mischt sich nicht nur in die Gesetzgebung ein, sondern hat sogar ein Vetorecht; außerdem benennt er auch die obersten Richter, die wiederum ebenfalls der Legislative enge Vorgaben machen und die Gesetzeslage, die eigentlich vom Volk ausgehen sollte, teilweise weitreichend durch ihre Auslegung beeinflussen. Während also Exekutive und Judikative – im Widerspruch zu konsequenter Gewaltenteilung – weit über ihre Bereiche hinaus wirken, sieht sich die Legislative und damit die Demokratie deutlich eingeschränkt. Der Souverän, das Volk, ist nicht Herr der Legislative. Längst haben ihn Exekutive und Judikative zurechtgestutzt. Regierung und Verfassungsgerichte maßen sich an, dem Volk in der Gesetzgebung Vorschriften zu machen und verselbständigen sich dabei immer mehr gegenüber demokratischer Kontrolle und Legitimation.

Karriere statt Republik

Ingeborg Maus: Volkssouveränität
Ingeborg Maus: Volkssouveränität

Nicht genug damit, dass der heute gelebte Republikanismus damit droht, die „Volkssouveränität“ (Maus: Volkssouveränität) zu ersticken, er wird zunehmend sich selbst zur Gefahr. Wenn Volksvertreter sich gegen eine Amtsenthebung Trumps aussprechen, tragen sie dazu bei, dass jene republikanischen Grundlagen erodieren, denen sie ihre herausgehobene Position verdanken: Sie unterstützen einen Ex-Präsidenten, der erstens Volkssouveränität nicht nur im republikanischen Sinne beschneiden, sondern sie durch seine Zweifel am Wahlausgang ganz außer Kraft setzen wollte; der zweitens schamlos seine exekutiven Vollmachten immer wieder über jenen gesetzlichen Rahmen hinaus ausgedehnen wollte, den die Legislative ihm gegeben hatte; und der drittens die Unabhängigkeit der Judikative durch die Benennung tendentiöser Richter noch weiter geschwächt hat.

Das alles tun sie offenbar nur, und das ist der eigentliche Skandal eines jeden repräsentativen Republikanismus allein aus reinem Karrierekalkül, wie Stormy-Annika Mildner in einem Interview der Süddeutschen Zeitung bestätigt:

„Warum sind die meisten Republikaner weiterhin so loyal zu Trump?

Die Zwischenwahlen im November 2022 stehen ja fast schon vor der Tür. Dann wird das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats gewählt. Manche Republikaner bangen um ihre Wiederwahl, wenn sie sich von Trump distanzieren. Hinzu kommt, dass viele von ihnen unter Druck gesetzt wurden und um ihr Leben fürchten. Viele Republikaner haben Morddrohungen erhalten. Sich gegen Trump zu stellen, erfordert also eine ganze Menge Courage und die Bereitschaft, die eigene politische Karriere zu opfern.

Also handeln die meisten republikanischen Senatoren nicht aus Überzeugung, sondern aus Kalkül?

Sicherlich ist viel politisches Kalkül dabei.“

Hamilton, Alexander / Madison, James / Jay, John: Die Federalist-Artikel.
Hamilton, Alexander / Madison, James / Jay, John: Die Federalist-Artikel.

Anfang 2021, kurz nach den letzten Wahlen für das Repräsentantenhaus dominieren also bereits die nächsten Wahlen in mehr als eineinhalb Jahren das politische Kalkül. Das Verhalten der Repräsentanten richtet sich nicht daran aus, was im Sinne des Staates, der Amerikaner oder auch nur der Mehrheit wäre, sondern sie sind allein getrieben von einer Minderheit, die vor Gewalt nicht zurückschreckt. Statt dass der Staat diese undemokratische Politik der Drohung unterbindet, um der Mehrheit den Frieden zu sichern, wird sie durchs republikanische Prinzip verstärkt. Die ursprüngliche Begründung für Repräsentation, derzufolge damit der „Leidenschaft“ der Mehrheit ein Riegel vorgeschoben und dem „Interesse des Landes“ am besten gedient werden sollte, hat sich erledigt (Hamilton/Madison/Jay, 10. Art., S.. 55). In ihrem Karrierestreben und ihren angsterfüllten Leidenschaften werden die Repräsentanten selbst zur Gefahr für die Interessen der Republik, der Mehrheit und des Landes insgesamt.

Cicero, Marcus Tullius: De re publica. Vom Staat; Reclam, 2013.

Politische Theorie und Verfassungskommentar der amerikanischen Gründerväter; Schöningh 1994.

Maus, Ingeborg: Über Volkssouveränität. Elemente einer Demokratietheorie; Suhrkamp 2011.

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