
Mitte April war laut ZDF-Politbarometer die Mehrheit der Ansicht, dass sich Markus Söder als Kanzler eignen würde. Nicht mal halb so viele Menschen konnten sich das bei Armin Laschet vorstellen. Dennoch wurde letzterer der Kandidat der Union. Anders als bei den Grünen lässt sich das noch nicht einmal mit partei-internen Präferenzen erklären, denn unter Parteimitgliedern von CDU und CSU sprechen sich 84 Prozent für Söder aus gegenüber 43 für Laschet. Wenn die Wahl trotzdem auf den CDU-Vertreter gefallen ist, dann liegt das offensichtlich an den Führungsgremien der Union. Wie viel Demokratie ist aber noch gewährleistet, wenn die Kandidatenauswahl derart fern demokratischer Verhältnisse abläuft?
Zwar mögen sich Präferenzen im Zeitverlauf ändern, doch ist das noch kein Argument für eine Vorentscheidung durch Gremien, deren Haltung erfahrungsgemäß ebenfalls nicht statisch verharrt. Zuweilen hat man eher den gegenteiligen Eindruck, dass die Zustimmung der Bevölkerung sich stabiler verhält als der Rückhalt in den vermeintlich eigenen Reihen. Lässt sich doch so mancher Parteifreund aus machtpolitischen Gründen zu einem vorschnellen Querschuss hinreißen.
Demgegenüber dürfte sich mehr Einfluss des Volkes durchaus wohltuend auswirken. Jedenfalls hätten sich die Bürger wohl kaum das unwürdige Schauspiel des Verkehrsministers lange bieten lassen. Dessen Verbleib ist allein auf eben jene Gremien zurückzuführen, die jetzt der Bevölkerung den bevorzugten Kanzlerkandidaten vorenthalten. Was die Union aufführt ist vorgekaulte Stabilität bei gleichzeitig schädlicher Tatenlosigkeit: Sie legt sich fest, worüber in einer Demokratie nicht sie, sondern das Volk entscheiden sollte, und sie bewahrt Kontinuität, wo dringend eine Änderung Not täte. Die klare Haltung der Bevölkerung zu so mancher Personalie und so manchem Fehlverhalten könnte hier durchaus einen disziplinierenden Effekt haben.
In jedem Fall verliert eine Demokratie deutlich an Wert, wenn den Wählern die Entscheidung selbst über die wichtigsten Personalien vorenthalten bleibt. Gerade in einer repräsentativen Republik, in der die Bürger von Sachentscheidungen fern gehalten werden, kommt Personalfragen außerordentliche Bedeutung zu. Wenn diese aber ebenfalls durch Gremien bereits vorentschieden werden, stellt sich die Frage, ob das Procedere es noch verdient, demokratisch genannt zu werden.