
Liebe grüne Verhandlungsführer!
Ich kann nicht anders, ich muss mich nun an euch wenden und eure wertvolle Zeit in Anspruch nehmen, denn mich lässt das einfach nicht los und ich fürchte, ich bin damit nicht allein. Das erste Signal, das die Grünen aus den Koalitionsverhandlungen senden, ist ein neoliberales: Die Aufspaltung der Bahn!
Das erinnert erschreckend an die rot-grüne Koalition unter Gerd Schröder. Was ist uns von damals im Gedächtnis geblieben? Eine Liberalisierung die letztlich auch Mitschuld an der Finanzkrise 2008 trägt!
Profitiert von Liberalisierungen haben stets nur einige wenige: So wurde das Kabelfernsehen damals privatisiert. In dreizehn Bundesländern ging es für zwei Milliarden Euro an amerikanische Investmentfonds, die es dann gut zehn Jahre später für zwölf Milliarden an die Vodafone verkauft haben, ohne dass gewaltige Investitionen vorgenommen worden waren. Als Kosten für die vom Staat veräußerte Infrastruktur, hätte man sie neu errichten müssen, wurden eben jene zwölf Milliarden errechnet. Der Staat bzw. seine Bürger haben also zehn Milliarden einfach hergeschenkt.
Heute also das gleiche Spiel! Welche Botschaft sendet das an die Wähler? Womöglich wurde ein schlauer Plan ausgeheckt, wie eine Aufspaltung der Bahn Vorteile bringen kann. Allein es kann ihn niemand kennen, weil diese Koalitionsverhandlungen (oder sollte man besser von Koalitionsgeschacher reden) völlig intransparent ablaufen.
So bleiben den Bürgern als Anhaltspunkte nur Beispiele im Ausland: In welchen Staaten gilt die Bahn als Erfolgsmodell? Schweiz, Frankreich, Japan!
In welchen eher nicht? Großbritannien!
Wer hat die Bahn liberalisiert? Die Briten und sie haben damit ziemliches Chaos erleben müssen. Warum also sollte jemand glauben, dass Deutschland das besser hinkriegt?
Dafür wurden von vornherein Tempolimit und Pendlerpauschale abgeräumt. Es läuft also alles wie immer: Wo es eine starke Lobby gibt, wird fleißig subventioniert, auch wenn das marktwirtschaftlich (also auch aus liberaler Sicht) und umweltpolitisch ein Irrweg ist.
Warum wurden die Grünen gewählt? Weil man von ihnen erwarten konnte, dass sie nicht sofort vor der Lobby einknicken, wie man das von der Union gewohnt ist, und dass sie aus rot-grün unter Schröder gelernt haben. Zumal mittlerweile sogar Nobelpreisträger das Wirtschaftsverständnis eines Christian Lindner als aus der Zeit gefallen betrachten.
Ja, Lobbyismus ist mächtig, aber dennoch gäbe es für viele Maßnahmen schon lange eine Mehrheit in der Bevölkerung, die sich ungeduldig danach sehnt, dass endlich mal Politiker sich auch gegen unangenehme Gegner durchsetzen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit und nachfolgender Generationen laben. Den Weg des geringsten Widerstands kennen wir von Angela Merkel zur Genüge.
Wenn wiederum gegen alle Mehrheiten Lobbyismus und Liberalisierung die Oberhand behalten, dann ist das nicht das, was die Menschen gehofft hatten zu wählen. Wir brauchen jetzt Subventionsabbau und Investitionen im Sinne des Klimaschutzes und keine Neuauflage eines halbgaren neoliberalen Programms aus den 90er Jahren. Bitte macht nicht die gleichen Fehler wie unter Schröder! Die Frage ist doch: Woran sollen die Leute in zehn Jahren – oder noch besser: unsere Kinder – denken, wenn von der grünen Regierungsbeteiligung die Rede ist? An Liberalisierung? Oder an Klimaschutz?
Wenn wir jetzt nicht den richtigen Kurs einschlagen war eure wertvolle Zeit völlig wertlos!
Ich stimme voll und ganz zu!
Was bringt uns eine lang ersehnte nicht-Union-lastige Regierung, wenn sie genauso handelt wie Merkel die ganzen letzten Jahre? Die Immer-schön-Schwanz-einziehen-vor-den-Lobbyisten-Taktik kennen wir schon, wir brauchen mal was Neues! Was nicht ganz so Feiges!