Wenn tumbe Männer gegen ihre Alliierten zu Felde ziehen

Sehr geehrter Herr Neukirch, hallo Spiegel-Redaktion,

Drei Sätze aus Ihrem Artikel „Ohne euren Männerhass wäre die Welt noch schönerreichen, um zu sehen, dass Sie argumentativ auf der Stelle treten, anstatt die „Verhältnisse zum Tanzen zu bringen“, wie Sie selbst beanspruchen:

„Besonders schwer haben es Jungen mit Migrationshintergrund. Sie kämpfen mit dem Rassismus von rechts und der Männerverachtung von links. Dass sie häufiger als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler die Schule abbrechen und seltener Abitur machen, ist nur folgerichtig.“

Hätten Sie diese noch einmal gelesen und kurz darüber nachgedacht, dann wäre Ihnen vielleicht aufgefallen, dass Sie hier viel mehr als nur das Problem vieler Männer beschrieben haben: Wie sieht es denn für Migrantinnen aus? Noch deutlich schlimmer! Sie (und andere Frauen) ringen oftmals mit den frauenverachtenden Milieus ihrer wie vieler anderer (auch nicht-migrantischer) Familien, dem Sexismus (und Rassismus) bis weit in die Mitte der Gesellschaft und den dessen ungeachtet anwachsenden emanzipatorischen Ansprüchen der postindustriellen Gesellschaft.

Anstatt irgend etwas zum Tanzen zu bringen suhlen Sie, Herr Neukirch, sich in in den üblichen und längst selbst zum Problem gewordenen Kategorien wie links und rechts. Während Ihr ganzer Text sich um nichts anderes dreht, als Ihrer Kollegin die (unübersehbar absichtsvoll und ironisch zugespitzten) Pauschalisierungen vorzuwerfen, ohne jede hermeneutische Sensibilität, werfen Sie selbst hier und anderswo mit Pauschalisierungen nur so um sich. Deshalb für Sie in aller Deutlichkeit: Nein, es sind nicht alle Linken Männerhasser, und nein, es sind auch nicht alle Rechten Rassisten! Und ja, so pauschal (und völlig ironiefrei) Rechten und Linken Attribute anzuheften und zu zementieren ist längst Teil eins gewaltigenen Problems gesellschaftlicher Spaltung! (Was soll man denn noch wählen, wenn nur noch Stereotype rumgeistern?)

Mit dem üblichen Reflex, eine „Entgegnung“ verfassen zu müssen, obwohl Sie gar nicht gemeint waren, verfallen Sie nur ins typische Muster: Wo es nur darum gehen kann, zu entgegnen, zu streiten, zu widersprechen, zu kämpfen, sich zu behaupten. Nunja, vielleicht steckt hier doch eine ganze Menge toxische Männlichkeit drin, die sich allerorten über unser Zusammenleben ergießt. Migranten (und nicht nur sie) reagieren auch oft so, Migrantinnen (und nicht nur sie) eher nicht, denn sie mussten anders mit den chauvinistischen Machtverhältnissen klarkommen lernen.

Anstatt etwas zum Tanzen zu bringen, treten Sie die Pfade chauvinistischen Konfrontationsbedürfnisses nur weiter aus. Vielleicht brauchen wir doch mehr von einer Logik, die Viele völlig unnötig mit „weiblich“ assoziieren, weil sie doch allzu menschlich sein sollte: Lasst uns das Gemeinsame suchen und versuchen!

Leiden Ihre Jungen (und viele andere) nicht genau unter ganz ähnlichen Problemen wie vielen Mädchen? Wir leben in einer Welt völlig überformt von Hass, Widerstreit, Konfrontation, Pauschalisierung, Vereinfachung, Machtgehabe. Und das bis in höchste weltpolitische Kreise, wo sich Männer eher wie schlecht erzogene, emotional vernachlässigte, gerne auch niederträchtige Teenager verhalten, denn als verantwortungsvolle Führungspersönlichkeiten.

Wir passen (fleißig angefeuert durch die unentwegte Herabsetzung des Niveaus insbesondere im visuellmedialen Sektor mit einem — etwas „pauschal“ formuliert — unaufhörlichen Race to the Bottem seit Einführung des Fernsehens) unsere Form des Zusammenlebens immer mehr der plumpen aber durchsetzungsstarken und -willigen Logik der Chauvinisten an. Wir tun das, was Migrantinnen und andere Frauen in den übelsten Milieus machen: Wir ordnen uns unter, wir begehren nicht auf, wir lassen es zu, wir spielen mit, wir fühlen uns ohnmächtig. Nur dass die Frauen nicht rumheulen!

Deshalb, Herr Neukirch, entweder tun Sie etwas gegen die schweren Jungs, die Ihren (und vielen anderen, weiblichen wie männlichen) Kindern das Leben schwer machen, statt sich gegen Frauen zu wenden, die in allen Kategorien (außer dem biologischen Geschlecht) Ihre Alliierten sind! Da können Sie etwas zum Tanzen bringen!

Oder ordnen Sie sich unter! Aber bitte, bitte: Heulen Sie nicht rum! Es ist peinlich.

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