Weltpolitik als pädagogisches Programm

Sackgasse Ukraine
Sackgasse Ukraine

Welchem Analysten man auch zuhört, die grundsätzliche Situation hört sich immer gleich an: Der kleine Wladimir hat sich in eine Sackgasse manövriert und die ganze erwachsene Welt überlegt nun, wie man einen Halbstarken davon abhalten kann, sich nicht immer weiter zu verrennen, damit das aufgepumpte Ego sich nicht zu einer Verzweiflungstat gedrängt sieht. Pädagogik auf allerhöchstem Niveau ist gefragt – mit dem klitzekleinen Schönheitsfehler, dass der spätpubertierende Greis über Atmowaffen verfügt. Also packt man den emotional in der Jugend stecken Gebliebenen in Watte und zerbricht sich den Kopf darüber, wie der einigermaßen gesichtswahrend aus der Nummer wieder rauskommt, wobei die weltpolitische Form der Gesichtswahrung an Lächerlichkeit kaum zu überbieten ist, werden hier doch regelmäßig verquere Kompromisse geschlossen, von denen sowieso jede/r weiß, dass sie nur notdürftig Tünche über das großflächige Scheitern selbstverliebter Politiker streichen. Die einzigen, die das als gesichtswahrend empfinden, sind offenbar die Gescheiterten selbst. Jeder normal denkende Mensch, fände es hingegen deutlich erwachsener und ehrwürdiger, das Scheitern einzugestehen, anstatt alle anderen die Konsequenzen dafür tragen zu lassen. Nicht so bei jenen, die sich als Anführer von Nationen aufspielen, denn denen geht es stets nur ums eigene Gesicht, das sie wahren wollen.

Verliebt in ihre Macht hoffen Despoten regelmäßig die Lächerlichkeit ihres Daseins mit Mobbing übertünchen zu können. Angst und Schrecken verbreiten, soll für Respekt sorgen und dafür, dass einem endlich mal die Großen wieder zu hören, obwohl man sich selbst längst ins Abseits gestellt und sein eigenes Land, das man so zu lieben vorgibt, in eine Bananenrepublik verwandelt hat. Das hält den rempelnden Wladimir aber nicht davon ab, sich darüber zu wundern, dass seine schmächtigen, geopolitischen Sitznachbarn sich nur allzu gern einem gemütlichen, aber enorm schlagkräftigen Bündnis anschließen wollen, das künftige Pöbeleien vom (in vergangenen Zeiten) Zurückgebliebenen verhindern soll. Nachdem der sich beim Mobbing eine Abschürfung geholt hatte, verlangt er von den Großen nun ein Pflaster, weil er sich bedroht fühlt. Ohnehin hält Wladimir Mitleid mit seiner Situation für durchaus angemessen. Weil der arme Wladimir sich achso bedroht fühlt, möge man ihn bitte in Ruhe alle um sich herum bedrohen und drangsalieren lassen. Aber was ist das für Führer, der um Mitleid bettelt?

Die Großen wissen längst, dass Mitleid nicht angebracht ist, weil der Kleine sowieso nicht aufhören würde zu pöbeln, egal wie groß das Pflaster wäre. Allen, auch den engsten Kunmpels ist längst klar, dass der kleine Wladimir eigentlich ins Heim für Schwererziehbare gehört – und weil der das selbst ebenfalls weiß, droht er zu Abschreckung damit, die ganze Schule hochzujagen. Das zeigt schon deshalb Wirkung, weil sich einfach alle Sorgen um den Gemütszustand des Kleinen machen. Der bräuchte dringend Betreuung, nur leider traut sich niemand ihm angemessene Behandlung angedeihen zu lassen.

Das Grundübel aller politischen Systeme

Hier sind wir beim Grundübel aller bestehenden politischen Systeme: Sie lassen einzelne Personen in Positionen aufrücken, an denen sich die Regeln ihrer eigenen Absetzung beeinflussen lassen. Wie man spätestens seit Trump weiß, betrifft das auch die republikanischen Systeme des Westens. Erdogan und Putin haben ebenfalls formal typisch republikanische Strukturen dazu genutzt ihre Position zu festigen. All die republikanischen Institutionen der vermeintlichen Gewaltenteilung, unabhängigen Rechtswesen und demokratischen Repräsentation haben das nicht verhindern können, dafür aber für Legitimation gesorgt. Nur weil der Westen einer inkonsequenten Umsetzung der Demokratie Legitimität verliehen hat, wurde der Missbrauch für undemokratische Absichten enorm erleichtert.

Alle politischen Systeme sind regelmäßig darauf ausgerichtet nicht dem Volk, sondern einzelnen Personen möglichst viel Macht zu verleihen. Zwar geben sie allesamt vor, dass das im Namen und nur zum Besten des Volkes geschehe, jedoch hat dieses auf die Augestaltung des politischen Systems kaum Einfluss. Selbst in den sehr wenigen Fällen, in denen Verfassungen durch das Volk bestätigt wurden, bleiben späteren Generationen maßgebliche Änderungen daran verwehrt, was ein Lernen aus Erfahrungen oder ein Anpassen an veränderte Bedingungen unmöglich macht. Oft wird als Grund für die Machtfülle an der Spitze die Handlungsfähigkeit der Regierung angeführt, doch wie man gerade in der Ukraine sieht, verfügen auch zuvor mit vergleichsweise wenig Macht ausgestatte Regierungen vorübergehend über enorme Handlungsfähigkeit, einfach weil die Bevölkerung weiß, wann es darauf ankommt. Machtfülle darf kein Ergebnis des Systems sein, sondern allein eine der Zustimmung der Bevölkerung. Wann immer sie sich davon aber abzukoppeln vermag, besteht die Gefahr, dass Einzelne Macht für ihre Interessen missbrauchen.

Letztlich kann schon deshalb nur Demokratie davor schützen, dass Macht für die Interessen Weniger genutzt wird, weil sie nicht den Wenigen dient. So lange Demokratie aber nur so lange wohlfeil ist, wie es darum geht, den Mächtigen Legitimität zu verleihen, ohne sie in ihrem Entscheidungsspielraum einzuschränken, besteht die Gefahr, dass machtgierige Pubertierende sich Macht erschleichen, um sie nie mehr abzugeben. Entweder müssen wir also die Regierungsformen demokratisieren oder die Menschen demokratisch sozialisieren. Denn erst wenn alle Kinder so erzogen werden, dass sie ihren Selbstwert nicht aus Überlegenheitsgefühlen beziehen müssen, wird der Nachschub an machtgierigen Narzisten versiegen und auch jener nationalistischer Chauvinismus an Attraktivität verlieren, mit dessen Hilfe sie sich regelmäßig an die Macht schwingen.

Wenn es Krieg gibt, in dem Tausende ihr Leben lassen, nur weil eine einzige Person dies will, dann haben wir als Menschheit versagt und müssen unsere politischen Strukturen ändern.

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