Archiv der Kategorie: Liberalismus

Liberale Selbstverliebtheit

– gegengelesen –

Carlo Strenger: Diese verdammten Eliten. Wer sie sind und warum wir sie brauchen

Carlo Strenger: Diese verdammten Eliten
Carlo Strenger: Diese verdammten Eliten

Carlo Strenger sieht die „vermeintlich ‚abgehobenen liberalen Eliten‘, um die es in diesem Buch gehen soll, (…) nicht über ihren materiellen Wohlstand definiert“, (S. 10) sondern meint damit eine Menschengruppe, die „liberale und universalistische Ansichten vertritt“ und sich „mit ihren Einkommen im oberen Fünftel der Verteilung“ (S. 11) bewegt. Anders als der Titel verspricht, befasst er sich folglich nicht mit Eliten, zu denen man üblicherweise nur die oberen ein bis zwei, maximal fünf Prozent, jedenfalls Personen mit sehr großem Einfluss zählt. Vielmehr beschäftigt Strenger sich nach eigener Aussage mit der „(oberen) Mittelschicht“ (S. 10). Man beachte die Klammern! Diese Mittelschicht also charakterisiert er kurz mit den üblichen Klischees: hohe Bildung, Mobilität, Individualität und Kreativität; bevor er von Fallbeispielen aus seiner psychotherapeutischen Sitzung berichtet. Liberale Selbstverliebtheit weiterlesen

Kann man der Elite vertrauen?

– gegengelesen –

Ivan Krastev: Europadämmerung (Teil 5)

Ivan Krastev: Europadämmerung
Ivan Krastev: Europadämmerung

Ivan Krastev geht davon aus, dass Europäer eher bereit sind, verantwortungslose Politiker zu wählen, weil die EU gegen die Folgen abfedert. Vor dem Hintergrund einer solchen Rückversicherung gäben sie sich eher ihrer „Enttäuschung und Wut“ hin:

„Ein noch bedeutsamerer Effekt basiert auf dem Umstand, dass die Europäische Union als eine Art Sicherheitsnetz dient, das Risikofreudigkeit dämpft (indem es Staaten von einer unverantwortlichen Politik abhält), aber Wählern den Anreiz bietet, verantwortungslose politische Parteien und Politiker zu unterstützen, um dadurch ihrer Enttäuschung und Wut Ausdruck zu verleihen. Weshalb sollten die Polen Angst vor jemandem wie Kaczyński haben, wenn sie doch wissen, dass Brüssel ihn bändigen wird, falls er zu weit geht? Paradoxerweise hat die Verbindung zwischen Europäisierung und Demokratisierung Mitteleuropa zu einem Paradebeispiel für demokratischen Illiberalismus gemacht.“ (S. 85f)

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Marktwirtschaft oder Solidarität?

– gegengelesen –

Ivan Krastev: Europadämmerung (Teil 4)

Ivan Krastev: Europadämmerung
Ivan Krastev: Europadämmerung

Osteuropäer lehnten den Kosmopolitismus und Multikulturalismus ab, wogegen Westeuropäer beides begrüßten, meint Ivan Krastev. Er sieht hier einen Spalt mitten durch Europa gehen und tut dabei so, als gäbe es im Westen keine Gegenbewegungen, keinen Front National oder Brexit. Statt dessen betont er den Unterschied zwischen Ost und West. Doch verhalten sich die Osteuropäer tatsächlich so anders? Erstaunt es wirklich, dass sie die lange vorenthaltene Reisefreiheit schätzen, um sie zu eben jener Wirtschaftsmigration zu nutzen, die sie anderen verweigern wollen? Reagieren sie damit letztlich nicht wie alle anderen auch?

Sie wollen Vorteile genießen und fürchten Nachteile. Sie verlangen nach Perspektive, ohne aber gleichzeitig das Erreichte riskieren zu wollen. Was soll daran ungewöhnlich sein? Marktwirtschaft oder Solidarität? weiterlesen

Fördert Liberalismus Migration?

– gegengelesen –

Ivan Krastev: Europadämmerung (Teil 3)

Ivan Krastev: Europadämmerung
Ivan Krastev: Europadämmerung

Ivan Krastevs Blick geht über die EU hinaus. Nicht nur innerhalb ihrer Grenzen, sondern auch außerhalb setzt sie seiner Ansicht nach auf eine Entwicklung hin zu mehr Demokratie und Toleranz. Zweifelsohne würde man aus europäischer Sicht demokratische Tendenzen weltweit begrüßen. Allerdings bildete sie von Beginn an vor allem ein bewusstes Gegengewicht zu den undemokratischen Systemen, wie sie damals auch in Europa noch zahlreich waren. Wenn schon versteht sich die EU nicht als Wette auf eine demokratische Zukunft, sondern als Bollwerk gegen Diktaturen. Fördert Liberalismus Migration? weiterlesen

Europa – eine hochriskante Wette?

– gegengelesen –

Ivan Krastev: Europadämmerung (Teil 2)

Ivan Krastev: Europadämmerung
Ivan Krastev: Europadämmerung

Ivan Krastev sieht die EU als ein spekulatives Projekt, weil ihr Gelingen von einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklung abhängig sei:

„Die Europäische Union ist eine hochriskante Wette darauf, dass die Menschheit sich in Richtung einer demokratischeren und toleranteren Gesellschaft fortentwickeln wird.“ (S. 26)

Man kann eine solche Aussage als Feststellung lesen, aber man kann sich auch kaum des Eindrucks erwehren, dass hier Kritik mitschwingt. Jedenfalls erscheint es wenig ratsam einen Staatenbund auf einer Grundlage zu errichten, die man als unsicher oder gar „hochriskant“ ansieht. Entsprechend könnte man Krastev hier einmal mehr so verstehen, dass er Naivität am Werke sieht.

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Déjà vu

– gegengelesen –

Ivan Krastev: Europadämmerung (Teil 1)

Ivan Krastev: Europadämmerung
Ivan Krastev: Europadämmerung

Ivan Krastev sieht eine Europadämmerung heraufziehen und trifft damit offenbar einen Nerv. Galt das Projekt Europa lange als Erfolgsgeschichte mit nachhaltigem Integrationseffekt, so wirken sowohl der Erfolg als auch die Integration mittlerweile als gefährdet. Die so ordnungsliebende EU wirkt ungewohnt unaufgeräumt. Ereignisse und Strömungen unterlaufen für selbstverständlich gehaltene Spielregeln: Weder Flüchtlinge noch osteuropäische Regierungen wollen sich an Vorgaben halten und die Briten nehmen nach 45 Jahren Mitgliedschaft Abschied. Es entsteht der Eindruck, dass nach Jahren rascher Erweiterung sich de EU auf einen Wendepunkt zubewegt. Hat sie ihre Möglichkeiten überdehnt? Déjà vu weiterlesen

Wozu Liberalismus?

Heribert Nix: Wozu Liberalismus?
Heribert Nix: Wozu Liberalismus?

Das Buch Wozu Liberalismus? lädt dazu ein, darüber nachzudenken, was liberale Demokratie ausmacht, wodurch sie in die Krise geraten ist und welche Perspektiven sie hat. Woran krankt ein demokratischer Republikanismus, wie er sich aus dem 18. Jahrhundert bis ins 21. hinübergerettet hat, um nun an seinen oftmals altbekannten Schwächen zu scheitern? Was muss das Fundament einer Demokratie heute bilden? Brauchen wir dafür noch Liberalismus und wenn ja, wozu?

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